nicht an sich halten. Immer wieder wendete sie sich zur Seite, wischte ihre Tränen ab und murmelte die ewige Frage einer Soldatenmutter: "O Gott, warum gerade mein Sohn?"

"Macht euch keine Sorgen", tröstete sie der Sohn auf Jiddisch. "Ich bekomme eine Beinprothese und werde Chauffeur."

"Und was ist mit den Händen?"

"Das ist nichts. Da habe ich nur ein paar Wunden, die verbunden wurden."

"Mach du dir mal keine Sorgen", sagte der Vater mit brechender Stimme. "Wir werden uns um dich kümmern, wie wir es getan

haben, als du noch klein warst.Wir kriegen das schon hin."

Die Zeit tat das ihre. Moshe wurde langsam gesund. Die

Schmerzen vergingen. Dreimal am Tag bekam er eine reichhaltige Mahlzeit, und die Krankenschwester futterte ihn. Und ich, der ich seit drei Wochen künstlich ernährt wurde, verfolgte mit meinem Blick jeden Happen, der in seinem Mund verschwand. Dann erzählte er mir seine Geschichte. Minenräumen. Ungenaue AufZeichnungen. Eine Panzermine mit Fußfalle. Die Explosion ...

Nach einigen Tagen wurde er von der Abteilung für schwere

Fälle in die Genesungsabteilung verlegt. Als ich aufstehen durfte, besuchte ich ihn. Der Kopfverband war entfernt. Narben

schmückten sein Gesicht.

"Wie ist es?"

Er lächelte. Er lächelte wirklich. "Gut. Ich habe keine Schmerzen mehr. Und der Arzt meint, die Wunden machen gute Fort-

schritte."

"Und die Hände?" Ich wusste nicht, ob man es ihm schon erzählt hat. Ein Schatten lag für einen Moment auf seinem Gesicht. "Weißt du, man hat mir fast alle Finger abgenommen. Aber irgendwie werde ich schon zurechtkommen."

Ich sah in sein Gesicht - das Gesicht eines 20-Jährigen. Vor kurzem hatte er noch ein Leben voller Abenteuer vor sich gehabt. Was für ein Leben stand ihm jetzt bevor? Und ein zweiter Gedanke ging mir durch den Kopf: Was für ein Leben wird die Heimat ihm bereiten? Wird sie ihm sein Opfer danken? Gibt es überhaupt einen passenden Dank für solch ein Opfer?

Ich erinnerte mich an Bücher über den Weltkrieg. Uber

Kriegsinvaliden. Wie schnell hatten die Leute vergessen! Und wir? Würden wir auch vergessen?

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