(Amos 7, 14)
Es ist zehn Uhr abends.
Im großen Saal nebenan, in dem die weniger kritischen Fälle liegen, wurde das Licht gelöscht. Eine weibliche Stimme wünscht "Gute Nacht", und der Chor der Verwundeten antwortet. Zwar
habe ich noch nie einen der dort Liegenden gesehen. Aber die Stimmen kenne ich alle. Angefangen mit der tiefen Stimme von Shosho, der ein Bein verlor, bis zum heiseren Flüsterton von Usi, dem 17-Jährigen, der mit einer Handgranate spielte und nun nur noch ein Auge hat.
"Also, was ich euch erzählen wollte", lässt sich die Stimme von Shosho vernehmen, "die Krankenschwester war sehr vorsichtig. Sie fragte den Arzt, ob man sich auch auf dem Klo mit Syphilis anstecken kann. Da sagte der Arzt: Natürlich kann man. Aber es ist sehr unbequem."
Eine dünne, mir noch unbekannte Stimme lacht wild und laut. Ein Neuer offenbar. Die anderen begnügen sich mit einem verzweifelten Stöhnen. Alle haben diesen Witz schon mindestens ein Dutzend Mal gehört.
"Leg doch mal eine neue Platte auf.", fordert die schneidige Stimme des Ulcus. Der "Ulcus" ist ein Major, der sich noch nicht daran gewöhnt hat, zwischen einfachen Soldaten zu liegen, die sich auch noch über seine wenig militärische Krankheit lustig machen.
"Kommt schon!", tröstet ihn Shosho. "Also: Eines Tages geht der Quartiermeister des Bataillons in ein Bordell ..."
"Mensch, halt doch endlich deine Klappe!", stöhnt Usi.
"Wir wollen schlafen und Schluss", schließt sich der Chor an.
"Armselige Krüppel", lästert Shosho, der nicht so leicht aufgibt. "Man könnte meinen, ihr habt heute schon irgendetwas anderes gemacht außer scheißen."