(5. Mose 13, 9)
"Wasser,Wasser, Wasser!"
Mein Zimmernachbar ist bei Bewusstsein. Erst hat er gestöhnt, jetzt jault er mehr, als dass er schreit. Wie ein verletztes Tier. Und zwischen den Schreien krächzt sein Atem. Es hört sich an wie eine rostige, stumpfe Säge.
Rachel kommt angelaufen. In der Hand hält sie noch die Illustrierte, in der sie gerade gelesen hat. Auf dem Titel lächelt das schwitzende Gesicht eines Soldaten. Ein Gewehr mit aufgestecktem Bajonett soll dem Bild wohl Glanz verleihen.
"Wasser ... Gebt mir Waaasser!", schreit der Verletzte.
Wenn er weiter so schreit, wird er die Verwundeten im großen Saal wecken. Rachel versucht vergeblich, ihn zu beruhigen.
"Gib ihm doch zu trinken und Schluss", will ich ihr sagen. "Er stirbt sowieso heute Nacht!" Aber ich sage es nicht. So verrückt bin ich noch nicht.
Mir fällt ein Satz ein, den ich gelesen habe, geschrieben von irgendeinem General: "Der Soldat muss in Würde sterben." Dem General an seinem Schreibtisch schien das wohl ziemlich einfach. Man bekommt eine Kugel in die Brust, hebt den Arm, ruft: >Es ist gut, für das Vaterland zu sterben!( und sinkt, wie in einem Kinofilm, elegant zu Boden. Aber wenn die Kugel im Gesicht landet statt in der Brust, dann sieht der würdevolle Tod nicht ganz so schön aus. In Ibdis saßen zwei in einem Schützengraben, Arm in Arm, aber ohne Köpfe. Es war nicht zu erkennen, ob sie würdevoll starben. Wie kann ein Mensch in Würde sterben, wenn sich sein Körper vor Schmerzen krümmt und man ihm nichts zu trinken gibt?
Rachel stöhnt und setzt sich an mein Bett. Den Gesunden
scheint es, als würden Krankenschwestern kein Gefühl für das Leid um sie herum haben. Das ist falsch. Man kann sich an dieses