Am Fuß der Treppe stehen ein Junge und ein Mädchen. Sie
sind älter als ich.
"Losung!", verlangt der Junge.
"Je - ho - asch", stottere ich. Mindestens hundertmal habe ich das Wort wiederholt, seit mir heute Morgen ein misstrauischer Junge das Papier gab.
"Geh hoch! Zweiter Stock, rechts!"
"Warte dort, bis man dich ruft", ergänzt das Mädchen.
Ich gehe die dunklen Treppen hoch. Auf einer Bank im Flur
sitzen einige Jugendliche in meinem Alter, genauso verängstigt wie ich, die erfolglos versuchen, sich als Erfahrene, Wissende aufZuspielen. Vom Ende des Flurs, aus einem geschlossenen Zimmer, hören wir gelegentlich Getrampel. Als würde jemand exerzieren. Meine Aufregung steigt von Moment zu Moment. Ich glaube
gleich zu ersticken.
Eine Gruppe junger Leute geht die Treppe hoch und flüstert untereinander. Ich fange einige Brocken des Gesprächs auf:
"... gestern wurde der Rothaarige festgenommen ..."
"... Er wird nichts verraten ..."
"... man wird ihn prügeln ..."
"... sie hätten schießen sollen ..."
Einer schaut zu uns herüber und brummt: "Bald werden wir
hier einen Kindergarten haben!"
"Gib nicht so an", antwortet ein anderer. "Die werden bald besser schießen können als du."
Verhaftung! Schüsse! Prügel! Wir werden Aufgaben haben. Etwas, wofür es sich zu leben lohnt, wofür man Gefahren auf sich nimmt.
Eine Tür geht auf. Für einen Moment trifft mich ein Lichtstrahl.
"Du da, komm rein!" Jemand greift nach meinem Arm, schiebt
mich in den Raum, drückt mich auf einen Stuhl und verschwindet.
Ich sehe nichts. Auf dem Tisch, direkt vor mir, steht ein kleiner Scheinwerfer und blendet mich. Ich spüre nur, dass vor mir Leute sitzen. Vielleicht drei, vielleicht vier. Eine tiefe, unnatürliche Stirnme nennt meinen Namen und meine Adresse. Ich nicke. Ich habe Angst zu sprechen, fürchte heiser zu sein. Mein Hals ist trocken.
"Wo gehst du zur Schule?", fragt die Stimme.