Und zum ersten Mal trage ich eine Krawatte. Rivka ist, wie ich, 15 Jahre alt. Sie hat sich zum ersten Mal die Lippen geschminkt. Unter ihrem Arm trägt sie ein kleines Paket, eingewickelt in braunes Papier.

Ich habe Herzklopfen. Es ist mein erster richtiger Einsatz. Ich habe Angst, mache aber ein Gesicht wie ein Kinoheld, um Rivka zu beeindrucken.

Wir stehen neben dem Kiosk von Witmann. Die Zeiger der

großen Uhr auf der anderen Straßenseite bewegen sich nervtötend langsam. Ein dicker Mann mit tomatenrotem Gesicht geht an uns vorbei und sieht mich genau an. Für einen Moment meine ich, es sei Wilkins, der berühmte Kommissar, über den jeder spricht. Gott sei Dank verschwindet er wieder. Neben den Eisverkäufern drängeln sich Jugendliche in blauen Hemden1. Vielleicht gehören sie der Haganah an? Ich versuche, meine Nerven zu beruhigen. Man sagte uns, es werden bewaffnete Erwachsene in der Gegend sein, um uns - falls nötig - zu beschützen. Der furchtbare Moment kommt näher. Werde ich okay sein? Mein Magen drückt und meine Knie zittern.

"Jetzt", sagt Rivka. Die Uhr zeigt Punkt acht.

"Ztschschschsch!" Die Menge schaut in den Himmel. Auf der

Strandseite steigt eine rote Feuerwerksrakete hoch. Das ist das Werk von Joram, dem Kommandanten. Ich nehme Rivka das Pa-

ket ab, ziehe das Packpapier weg und werfe den Inhalt in die Luft. Die Flugblätter fliegen auseinander und schweben zu Boden wie Schnee. Es gibt ein Gedränge. Einige versuchen, die Zettel noch in der Luft zu fangen, bevor sie auf den Boden fallen. Auch ich bücke mich und hebe ein Blatt auf. Während wir weitergehen, tun wir, als würden wir interessiert lesen.

Meine Bewegungen waren automatisch. Im entscheidenden

Moment habe ich nichts gefühlt. Mich erfüllt ein unglaublicher Stolz . Ich bin kein Feigling. Ich kann handeln wie die anderen.

"He, du da, komm mal her!" Ein Polizist erscheint aus der

Schenkin-Straße. Mir bleibt das Herz stehen. Wir müssen einen Trick versuchen. Vielleicht hat er mich gesehen, als ich die Flugblätter hochgeworfen habe.

"Was willst du?" Ich lächele tapfer und werfe einen bedeutungsvollen Blick über die Schulter nach hinten. Dabei wundere ich mich, dass meine Stimme selbstsicher klingt. Ich habe große

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