Nach dem Reinigen entsichere ich jede einzelne Waffe, senke sie langsam in die Horizontale, ziele genau und ziehe den Hebel. Am Fenster gegenüber steht jemand. Wäre die Waffe geladen, hatte ich ihn getroffen. Ein Schauer läuft mir über den Rücken.

Am nächsten Abend gehe ich über die Allenby-Straße und trage zwei große Bücher unter dem Arm, dazwischen ein drittes Buch, in braunes Papier gewickelt. Immer wieder bleibe ich vor einem Schaufenster stehen und blicke mich wie zufällig um. Jeder Mann, der hinter mir geht, sieht wie ein Geheimpolizist aus. Ich bücke mich und schnüre meine Schuhe, bis er vorübergegangen ist.

Da ist das Haus. Unten stehen ein Junge und ein Mädchen und reden. Sie sehen aus wie eines der vielen Paare, die sich zu dieser Zeit in den Hausecken herumdrücken und knutschen. Aber in

Höhe der Hand des Jungen befindet sich an der Innenseite des Zauns ein geheimer Knopf. Joske, Schüler einer Technikerschule, hat ihn für Alarmzwecke angebracht.

Ich steige die Treppe hinauf bis unters Dach. Das Treffen findet im Waschraum, im trüben Licht einer Petroleumlampe statt. Ein Dutzend Gruppenmitglieder sind schon da. Joram, unser Kom-

mandant, ein 25-jähriger Briefträger, erklärt uns die Grundlagen des Zielens und Treffens. Mit einem Bleistift zeichnet er ein kleines Kreuz an die Tür. Am anderen Ende des Raumes liegen einige Kissen auf dem Tisch. Wir stützen die Waffe auf den Kissen ab, die uns als Sandsäcke dienen, und zielen auf das Kreuz. Joram prüft die Genauigkeit.

Wir bewegen uns wie bei einem religiösen Ritual. Wir schließen ein Auge, halten den Atem an und zielen. Es ist schwer, die Waffe auf den Kissen stabil zu halten. Die kleinste Bewegung verändert die Schussrichtung. Joram schließt ein Auge und prüft die Haltung. "Ausgezeichnet", sagt er, "zielt genau ins Zentrum."

Meine Kameraden, die nicht wissen, dass ich diese Übung zu Hause zigmal wiederholt habe, sehen mich neidisch an. Ich bin sehr stolz. In diesem Moment verachte ich aus tiefstem Herzen all diejenigen, die nicht Mitglieder im Irgun sind.

1940. Draußen in der Welt findet ein Krieg statt und der Irgun hat einen Waffenstillstand ausgerufen. Wir trainieren intensiv weiter, machen anstrengende Wanderungen und bereiten uns vor. Meine

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