Wollen wir einen ewigen Krieg fuhren? Wollen wir auf Dauer auf fremde Hilfe angewiesen sein? Heute von den Italienern, morgen von den Russen oder den Amerikanern und übermorgen viel-

leicht von einem neuen Völkerbund abhängig sein? Ist es nicht unsere Aufgabe, die Massen der arabischen Welt auf unsere Seite zu ziehen? Müssen wir nicht eine neue Idee, eine Vorstellung entwickeln, die die Araber mit einbeziehen wird? Eine Vorstellung, mit der wir nicht einen neuen chauvinistischen Gettostaat gründen, sondern der ganzen Region um uns herum neues Leben einhauchen können?

Die tiefe Stimme antwortet auf keine dieser Fragen. Sie berauscht sich an den eigenen Worten - Staat, Befreiung, Königreich, Zion, Kanonen, U-Boote. Ich sehe im Dunkeln, wie die Augen

meiner Kameraden glänzen, wie sich ihre Muskeln spannen.

Der Redner spürt im Dunkeln, dass er die Herzen erobert hat. Er beendet seine Rede mit einem schlauen Trick. "... und wer von euch nicht den Mut hat, mit uns diesen Weg des Leidens und der Opfer zu gehen, der möge aufstehen und gehen."

Keiner steht auf. Alle sind hypnotisiert. Auch bei klarem Kopf hätten sie nicht gewagt aufzustehen. Keiner will als Feigling gelten.

Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Ich weiß, dass ich aufstehen muss und mich von all dem verabschieden, was meinem Leben in den letzten zweieinhalb Jahren einen Sinn gegeben hat. Schöne Jahre voller Gefahr, Romantik und edler Freundschaft im Untergrund. Ich fürchte, nicht die Kraft zu haben, vor meinen Kameraden aufzustehen - aber irgendeine geheime Kraft, die ich nicht beherrschen kann, lässt mich aufstehen. 120 Augenpaare starren mich in der Dunkelheit an.

"Du bist frei!", sagt die tiefe Stimme mit unendlicherVerachtung.

Ich gehe zur Tür. Ich weiß nicht, wie ich das schaffe. Meine Knie zittern und meine Beine sind kraftlos.

Ich gehe hinaus, die Treppen hinunter, passiere die Wache, die nicht aufgehört hat zu diskutieren, und bin auf der Straße.

Ich bin verwirrt. Etwas in mir weint. Etwas ist zerbrochen, das schön, wichtig und groß war - und einfach. Und dennoch: In einer anderen Ecke meines Herzens spüre ich Freude. Ich weiß, dass diese Krise kommen musste, und ich bin froh, dass sie vorbei ist

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