"Sie sind zu deiner Gedenkfeier gekommen ..."
"Gedenkfeier? Wozu? Was können sie mir schon helfen?" Er
kratzt sich wieder am Ohr. "Weißt du was? Ich habe eine tolle Idee. Ich werde ihnen eine Gedenkrede halten!"
"Sei nicht verrückt. Kein Mensch kann eine Gedenkrede für sich selbst halten."
"Du wirst schon sehen." Mit einem Satz springt er auf den Erdhügel und spricht zu seinen Eltern.
"Ich bin tot. Hört ihr? Ich bin tot! Tot.T o t! Ich brauche eure Gedenkfeiern nicht! Ich mache euch keine Vorwürfe. Aber ihr könntet etwas für andere Söhne, für andere Eltern tun. Geht auf die Straße und schreit! Hört ihr? Schreit! Dass ihr mich 24 Jahre lang für nichts versorgt habt. Dass ich starb, bevor ich irgendetwas im Leben tun konnte! Schreit anderen Eltern zu, sie sollen nicht zulassen, dass man ihre Kinder in den Krieg schickt. Die sollen das verbieten!"
"Und ihr da", jetzt wendet er sich an uns, "ihr Ansammlung von Eseln, hört auf, das Märchen zu erzählen, der Krieg sei ein wunderbares Abenteuer. Geht und schreit die Wahrheit heraus! Dass ihr den Krieg hasst, dass er euch Übelkeit verursacht! Ihr habt jüngere Brüder. Erzählt ihnen die Wahrheit! Damit sie keine Sehnsucht nach einem neuem Krieg haben, dessen Tote sie sein werden. Wenn ihr Feuer im Arsch habt, steht hier nicht rum wie kastrierte Taugenichtse. Sorgt dafür, dass euer Staat ein anständiger Staat wird, in dem ihr wie Menschen leben könnt und nicht wie Tote auf Urlaub, die auf ihren Marschbefehl in den Himmel warten. Das hängt von euch ab - hört ihr? - nur von euch!"
Jemand tritt mich in den Hintern. "Was stehst du hier und
träumst? Die Feier ist längst vorbei", sagt Fini.
Wir gehen zum Wagen. Fini macht ein trauriges, verzweifeltes Gesicht. "Ich hasse Gedenkfeiern", sagt er. "Aber was kann man tun? Eltern brauchen das."
Er bleibt stehen, als sei er vom Gehen müde geworden und
sieht auf das leere Grab. Mit einer endlos betrübten, hilflosen Stimme fugt er hinzu: "Was kann man tun? Wenn der Krieg noch länger dauert, werden das alle unsere Eltern brauchen."