noch einmal beim Absingen der Hymne des neuen Deutschland den Arm nicht höbe, würden sie "es mir zeigen".
Sie haben es nicht getan. Eine Woche später hatten wir Deutschland für immer verlassen. Ich glaube, mein Vater war einer der ersten deutsehen Juden, die erkannten, was bevorstand. Bereits am Tage der "Machtergreifung" sah er die Handschrift auf der Mauer. Er konnte es, weil seine zionistischen Überzeugungen in ihm das Bewusstsein der Verderblichkeit des Antisemitismus sowie der absoluten Hoffnungslosigkeit seiner Bekämpfung geweckt hatten.
So begab sich denn mein Vater bald nach Beginn des Jahres 1933 zur Polizeibehörde von Hannover, um seine Auswanderung genehmigen zu lassen. Die Beamten waren erstaunt. "Aber Herr Ostermann", sagten sie, "Sie sind doch ein Deutscher wie wir. Ihre Familie hat immer in Deutschland gelebt. Nichts könnte Ihnen hier geschehen!"
Unsere Verwandten und Freunde äußerten sich sogar noch deutlicher. Sie fanden ihre schlimmsten Vermutungen über die Eigenheiten meines Vaters bestätigt. "Du bist völlig verrückt", erklärten sie ihm, "so einfach davonzulaufen. Uns kann nichts passieren. Dies ist ein zivilisiertes Land. Dieser Hitler macht nur eine Menge Lärm. Er weiß, dass er ohne uns nicht existieren kann. Er wird einige polnische Juden ausweisen - gar nicht so schlecht -, und das wird alles sein." Wir vier Kinder hörten es und behielten es im Gedächtnis.
Aber mein Vater war eigensinnig. Er wusste, dass er Recht hatte, wenn er es auch nicht beweisen konnte. Wir verkauften alles und gingen.
Die letzten Tage waren hektisch. Wir hegten Verdacht, dass Geschäftspartner meinen Vater bei der Gestapo angezeigt hatten. Deshalb teilte sich unsere Familie. Jedes Elternteil nahm zwei der Kinder, um beim Grenzübertritt so unauffällig wie möglich zu sein. Für mich, den Zehnjährigen, war es eine aufregende Nacht. Ständig verlor meine Mutter irgendetwas. Schließlich erreichte unser Zug die französische Grenze, der Nazi-Beamte prüfte die Papiere, ein Wink mit der Hand - und wir hatten es hinter uns. Der Zug fuhr weiter, nach Frankreich hinein. (Seitdem ist Frankreich für mich ein Symbol der Freiheit geblieben. Ich hebe Frankreich. Ich liebte es auch dann noch, als ich das