men durften weder Israel noch Jordanien Panzer, Artillerie oder Militärflugzeuge in das Gebiet um Jerusalem bringen, und unsere Regierung hielt sich mehr oder weniger an diese Bestimmungen. Die Parade war daher auf Infanterieeinheiten beschränkt. Doch 200 000 Israelis, das heißt jeder zwölfte Bewohner des Landes, erschienen, um der Armee zuzujubeln, die eine so bedeutende Rolle im Leben unseres Volkes spielt.
An jenem Tag bestand keinerlei Grund zur Besorgnis. Der Staat schien gesicherter dazustehen als je zuvor, an Krieg dachte keiner. Gewiss, während der ganzen letzten Monate hatte es Unruhen an der syrischen Grenze gegeben: Bewaffnete Eindringlinge hatten Bomben in die Grenzsiedlungen geworfen, und verschiedene Kibbuzim waren von Zeit zu Zeit beschossen worden. Jedermann war sich klar darüber, dass hier früher oder später etwas geschehen müsse, vielleicht sogar ziemlieh bald; ein Großangriff unserer Armee auf die befestigten Stellungen auf den syrischen Hügeln schien angezeigt. Aber wir wussten, dass die syrische Armee uns nicht gefährlich werden konnte, und ein soleher Angriff würde nach israelischen Maßstäben nicht als Krieg zu bezeichnen sein. Wir wussten, dass ein Krieg nur dann entstehen konnte, wenn Ägypten ihn wollte. Ägypten aber war mit einem kleinen Krieg im Jemen beschäftigt.
Nichts lag an jenem sonnigen Tag ferner als der Gedanke an Krieg. Wir aalten uns am Strand von Tel Aviv und warteten am Transistorgerät auf den Beginn der Feierlichkeiten; jetzt schmetterte es gerade alte Marschlieder, darunter eines, das ich selber über "Samsons Füchse" geschrieben hatte. Doch in diesem Augenblick trat der Generalstabschef Itzhak Rabin auf der Tribüne in Jerusalem an Ministerpräsident Levi Eshkol heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Eine Botschaft von größter Dringlichkeit war gerade durchgekommen. Eshkols Gesicht, bis dahin genauso fröhlich und unbekümmert wie die Gesichter aller anderen, verdunkelte sich plötzlich. Am nächsten Tag lasen wir es in der Zeitung: Die Schlagzeile war der Parade gewidmet, aber an zweiter Stelle folgte die Mitteilung, dass der ägyptische Präsident Gamal Abd-el-Nasser seine Truppen auf der Sinai-Halbinsel gegenüber unserer Südgrenze konzentriert hatte.