Jeder Stratege weiß, dass im Krieg Überraschung schon der halbe Sieg ist. Genauso ist es bei politischen Aktionen.

Im letzten Jahr war die Überraschung vollkommen. Ähnlich wie die Ägypter, als sie am Jom Kippur 1973 den Suezkanal überquerten, überraschten Daphni und ihre Freunde alle, sogar sich selbst.

Aber Überraschungen kann man nicht wie Kaffee aufwärmen!

Diesmal waren die Behörden vorbereitet. Offenbar hatte es lange, wenn auch geheime, Beratungen gegeben. Der Ministerpräsident war entschlossen, sich nicht noch einmal demütigen zu lassen - jedenfalls nicht, nachdem das TIME-Magazin ihn zum ״König Bibi" gekrönt hatte und die volkstümliche deutsche BILD-Zeitung mit ihren Massenauflagen dem ge-

folgt war und auch seine Frau Sara auf den Thron gesetzt hatte. (Sara’le, wie sie allgemein genannt wird, ist ebenso populär wie Marie Antoinette zu ihrer Zeit.)

Die Befehle Netanyahus und seiner Gefolgsleute an die Adresse der Polizei waren offensichtlich, jeden Protest von Beginn an mit Gewalt niederzuschlagen. Der Bürgermeister entschloss sich, den Boulevard in eine Festung gegen Zeltbewohner zu verwandeln. (Das französische Wort ״Boulevard" ist vom deutschen Wort ״Bollwerk" abgeleitet, das Befestigung bedeutet, weil die Bürger so gerne auf den Stadtmauern spazieren gingen. Das machen sie in der schönen toskanischen Stadt Lucca immer noch.)

Anscheinend hat Netanyahu viel von Vladimir Putin gelernt, der ihm erst diese Woche einen Höflichkeitsbesuch abstattete. Vor einigen Wochen wurden die Anführer des Protests bei der Polizei vorgeladen und über ihre Pläne befragt. Das war bis da¬

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