BEI HITTI las ich zum ersten Mal von den vielen ethnischreligiösen Gruppen der heutigen Staaten Syrien und Libanon. Im Libanon: muslimische Sunniten und Schiiten, Drusen, Maroniten, Melkiten und viele andere alte und moderne christliche Konfessionen, in Syrien: Sunniten, Alawiten, Drusen, Kurden, Assyrer und ein Dutzend christliche Konfessionen.

Die europäischen Imperial-Mächte Britannien und Frankreich, die nach dem Ersten Weltkrieg das alles umfassende Osmanisehe Reich zerschlagen hatten, knauserten mit dem Respekt vor der Vielfalt ihrer Neuerwerbungen. Jedoch nahmen beide das Prinzip an: Divide et impera. Die Franzosen taten sich da-

bei besonders hervor.

Angesichts einer heftigen nationalistischen Opposition und eines bewaffneten Aufstandes, den die Drusen anführten, zerstückelten sie Syrien in kleine religiös-ethnisch-geografische Staaten. Sie setzten auf die Empfindlichkeiten zwischen Damaskus und Aleppo, Muslimen und Christen, Sunniten und

Alawiten, Kurden und Arabern, Drusen und Sunniten.

Ihr am weitesten reichendes Projekt, die Teilung in den Christlieh dominierten ״Großlibanon" und das übrigen Syrien, hatte dauerhafte Wirkung. (Großlibanon wurde es genannt, weil die Franzosen nicht nur rein christliche, sondern auch muslimisehe Regionen - Schiiten im Süden und Sunniten in den Hafenstädten - mit einbezogen.)

ALS DIE Franzosen am Ende des Zweiten Weltkrieges schließlieh aus der Region vertrieben wurden, war die Frage, ob und wie Syrien und Libanon als Nationalstaaten überleben könnten. Beiden wohnte ein Widerspruch zwischen dem vereinenden Nationalismus und der trennenden ethnisch-religiösen Tendenz inne. Sie fanden verschiedene Lösungen dafür. Im

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