Libanon war die Lösung eine schwache Staatsstruktur, die sich auf ein Gleichgewicht zwischen den Gemeinschaften gründete. Jeder Mensch ״gehört" zu einer Gemeinschaft, ln der Praxis ist jeder Mensch Mitglied seiner Gemeinschaft und der Staat ist nur eine Föderation von Gemeinschaften.

(Das ist teilweise ein Vermächtnis des byzantinischen und osmanischen Reiches, nur ohne Kaiser oder Sultan. Auch in Israel gibt es eine gewisse Eigenständigkeit der Gemeinschaften: Juden, Sunniten, Drusen und Christen haben ihre eigenen Gerichte für Familienstands-Angelegenheiten und können nicht untereinander heiraten.) Das libanesische System ist eine Negation der ״Eine Person-eine Stimme"-Demokratie, hat jedoch einen grausamen Bürgerkrieg, einige Massaker, eine Anzahl israelischer Invasionen und einen Wechsel der Schiiten vom letzten auf den ersten Platz überlebt. Es ist robuster, als man hätten annehmen können. Die syrische Lösung war anders: eine Diktatur. Eine Reihe starker Männer folgte der

anderen, bis schließlich die al-Assad-Dynastie die Herrschaft übernahm. Ihre erstaunliche Langlebigkeit verdankt sie der Tatsache, dass viele Syrer aller Gemeinschaften einen brutalen Tyrannen einem Auseinanderbrechen des Staates, Chaos und Bürgerkrieg vorgezogen haben.

NUN TUN SIE DAS NICHT MEHR, so scheint es. Der Sy-

rische Frühling ist ein Abkömmling des Arabischen Frühlings, aber unter ganz anderen Voraussetzungen. Ägypten ist von Syrien so verschieden, dass man sie gar nicht miteinander vergleichen kann. Die Einheit Ägyptens war Tausende von Jahren unbestritten. Den ägyptischen Nationalstolz kann man mit Händen greifen. Die von israelischen Kommentatoren aufgeworfene Frage, ob der neue Präsident an erster Stelle Moslembruder oder Ägypter sei, klingt für einen Ägypter völlig an den Haaren herbeigezogen. Die ägyptische Moslembruderschaft

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